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Mein Sabbat-Experiment, zweiter Teil

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Kürzlich schrieb ich an dieser Stelle, warum ich vor einigen Monaten ein „Sabbatexperiment“ gestartet habe und wie genau es funktioniert. Hier nun die versprochene Bilanz.

Das erste, was mir klar wurde, war, dass einen Tag pro Woche „nichts Profanes zu tun“ zur Folge hat, dass man an den anderen Tagen „mehr Profanes“ tun muss, es sei denn, man reduziert das gesamte Volumen, also etwa den Anteil an bezahlter Arbeit oder politischem Engagement (was ich aber nicht wollte).

Konkret: Wenn etwas am Montag fertig sein musste, dann konnte ich das ja am Sonntag nicht fertigmachen und musste es entweder noch am Samstag abend fertigkriegen oder eben am Montag früher aufstehen. Teilweise hatte das durchaus einen gewissen Charme, denn es gab diesem Experiment Bedeutung. Und es sorgte auch dafür, dass meine Umgebung davon mitbekam, wenn ich etwa sagte: „Nein, ich kann nicht noch eine Folge Firefly gucken, weil ich das und das noch fertig kriegen muss, weil morgen ja Sabbat ist.“

Andererseits stellt sich bei sowas dann immer auch die Frage nach den Ausnahmen. Wie viel an Komplikationen war ich bereit, zu akzeptieren, und wann war der Punkt erreicht, an dem ich nach dem Motto „Der Sabbat ist für den Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat“ dann doch eben eine Ausnahme machte? Das ist wohl der Unterschied zwischen einer selbst gewählten und einer von außen auferlegten Regel.

In dem Zusammenhang spürte ich auch deutlich, dass es einen großen Unterschied macht, ob man so einen „geheiligten“ Tag im Individualprojekt einrichtet, oder ob es in einem gesellschaftlichen Kontext stattfindet, wo alle anderen auch die „Sonntagsruhe“ einhalten. Überall da, wo kollaborativ gearbeitet wird, hängt das eigene Arbeiten nämlich auch von anderen Menschen ab. Also wenn ich als Redakteurin Texte bearbeiten muss, die montags fertig sein müssen, von den Autorinnen aber erst am Samstagabend oder Sonntagmorgen geliefert werden, habe ich ein Problem. Denn erstens arbeiten sie ja am Sonntag, außerdem denken sie: Die hat ja noch einen Tag Zeit, das zu bearbeiten, obwohl ich nach meiner Rechnung eben keinen Tag Zeit mehr habe, sondern nur die frühen Morgenstunden des Montags.

Ich war in dieser Zeit zufällig für eine Woche in Israel und erlebte da auch den Sabbat mit, zwar nur in Tel Aviv, wo er nicht allzu streng gehandhabt wird, aber es legte sich doch eine deutliche Stille über die Stadt. Noch krasser war es am Tag meines Rückflugs, wo nämlich abends Jom Kippur begann, ein hoher Feiertag, an dem dann wirklich alles still stand. Sogar der internationale Flughafen stellte den Betrieb ein (einige Reisende erzählten, dass ihr Flug gestrichen wurde und sie einen Tag länger bleiben mussten als geplant, meiner wurde am Freitagnachmittag nur um zwei Stunden vorverlegt, damit wir noch wegkamen, bevor der Flughafen geschlossen wurde). Es ist klar, dass das Sabbathalten für die Einzelne um ein Vielfaches einfacher ist, wenn es alle tun, weil eben alles darauf eingerichtet ist.

Schwierig war es auch bei meiner Teilnahme an Wochenendtagungen. Bei der Denkumenta zum Beispiel habe ich eine Ausnahme gemacht, denn es wäre ja blöd gewesen, wenn ich beim Abschlussplenum am Sonntag nicht dabei gewesen wäre.

Und so entwickelte sich mein Experiment durchwachsen. Einerseits habe ich die Sonntage, an denen keine „Komplikationen“ im oben geschilderten Sinne auftraten, als sehr angenehm erlebt. Ich habe es sehr genossen, an einem Tag in der Woche nichts „Profanes“ tun zu dürfen. Die Sonntage jedoch, an denen es Komplikationen gab, erlebte ich als stressig. Und zwar stressig wegen der Notwendigkeit, dauernd entscheiden zu müssen, ob ich nun eine Ausnahme mache oder nicht.

Abgesehen von solchen Komplikationen, die mir von außen, durch andere Menschen oder „die Verhältnisse“ auferlegt wurden, gab es dann auch noch Wochen, in denen ich das Profane gerne aufgeschoben hätte – zum Beispiel wenn es am Samstag tollsten Sonnenschein gab, aber für Sonntag Regen angekündigt war. Wie blöd wäre es dann, den Samstag am Schreibtisch zu verbringen, statt draußen das gute Wetter zu genießen, bloß weil ich die anstehenden Arbeiten nicht am Sonntag machen darf?

Oder wenn es unter der Woche schon viele „heilige“ Zeitfenster gegeben hat, also etwa Gelegenheiten zu ausführlichen Gesprächen mit Freundinnen oder Nachmittage, an denen ich mich in einem Roman festgelesen hatte und so weiter. Vor dem Sabbatexperiment hatte ich sieben Wochentage, über die sich solche Oasen verteilten, jetzt hatte ich nur noch sechs, außer sie fielen rein zufällig auf den Sonntag. Was bedeutete, dass ich auf manche dieser Gelegenheiten verzichten musste, um unterm Strich mit meinem „Profanitätsvolumen“ noch hinzukommen.

Am Ende fand ich mich also vor die Wahl gestellt, entweder meinen Profanitätsanteil, also die notwendigen, bezahlten usw. Arbeiten generell zu reduzieren, was ich, wie gesagt, nicht wollte (teils wegen des Geldes, aber auch, weil mir meine profanen Tätigkeiten ja im Allgemeinen Spaß machen und ich sie wichtig finde). Oder aber auf das Sabbathalten wieder zu verzichten.

Irgendwann war ich an dem Punkt angekommen, wo ich dieses ganzen Hickhacks überdrüssig war und also verkündete, ich würde das Sabbatexperiment jetzt wieder sein lassen. Das wäre alles zu kompliziert. Was mich dann jedoch überraschte, war die Reaktion des Mitbewohners, der sagte, das wäre aber sehr schade (obwohl er selbst gar nicht an dem Experiment teilnahm). Ich wäre an meinen Sabbaten immer so entspannt und umgänglich gewesen. Ich sollte doch weiter machen.

Das fand ich erstaunlich und aufschlussreich, und es brachte mich dazu, darüber nachzudenken, ob es nicht noch eine dritte Möglichkeit gäbe. Und in der Tat fiel mir was ein:

Ich mache das Sabbatexperiment jetzt erstmal weiter, aber in einer flexibleren Form. Ich versteife mich also nicht auf den Sonntag, sondern entscheide Woche für Woche neu, ob es der Sonntag, der Samstag, der Freitag oder der Montag ist (in dieser Reihenfolge).

Also: Wenn der Sonntag aus den erwähnten Komplikationsgründen schwierig ist, wird es der Samstag, wenn es da auch nicht geht, ist es der Freitag, und wenn es da auch nicht geht, ist es der Montag, und nur wenn das auch nicht geht, bleibt es eben der Sonntag und ich nehme die Komplikationen in Kauf. Wenn also an einem Samstag sowieso etwas genuin „Heiliges“ ansteht, etwa eine Einladung zum Kaffeetrinken oder ein Ausflug oder schönes Wetter usw., dann mache ich den Samstag zu meinem wöchentlichen Sabbattag. Oder wenn am Sonntag etwas „Profanes“ lockt, auf das ich nicht verzichten will, wie etwa ein interessanter Vortrag oder eine Demo.

Wichtig ist, dass dann aber wirklich der ganze Tag von morgens bis abends „profanfrei“ bleibt und auch, dass ich mich bewusst darauf einstelle. Um die Bedeutung hervorzuheben, trage ich mir das jeweils mit einem großen S in den Kalender ein. In gewisser Weise habe ich so die häufigsten Ausnahmen in meine Regel integriert. Denn Regeln, von denen es dauernd Ausnahmen gibt (geben muss), sind Mummpitz und Stressverursacher.

Mal sehen, wie sich das Experiment von hier aus nun weiter entwickelt.

PS.: Habe zwischenzeitlich mitbekommen, dass Plomlompom das so ähnlich macht, oder jedenfalls vermute ich es, denn ich habe nicht so ganz genau verstanden, wie er das regelt :)

(Foto: Roberto Verzo/Flickr.com)



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